Christhard Richter

  ... Isch hab den Krieg nit gemacht

Über mich

 


Wer bin ich?

Mit über 70 Jahren gehöre ich zu den Menschen, die vom Glück verfolgt wurden.
- Ich hatte das Glück, als der Erstgeborene von weiteren drei Geschwistern mich nie habe verleiten lassen, diese Zahl auf ein erträgliches Maß reduzieren zu wollen.
- Ich hatte das Glück, den Krieg in voller Länge erleben zu dürfen, ohne dabei ein blaues Auge zu bekommen. Sie blieben staunend bernstein-braun.
- Ich hatte das Glück, über vier Schulen zweier Bundesländer meine Matura zu erreichen, ohne ein einziges Mal sitzen geblieben zu sein, obwohl die Schulsysteme sich dazu alle Mühe gaben.
- Ich hatte das Glück, trotz aller Prügel, die ich in der Schule und auch zu Hause bezogen hatte, keinen einzigen Zahn eingebüßt zu haben. Ich ging im Gegenteil aus jeder physischen Inanspruchnahme gestärkt hervor und behielt mir das Recht vor, das letzte Wort zu behalten.

Ein Lebenslauf wird üblicherweise begreiflich gemacht, indem man viele Jahreszahlen übereinander stapelt und wenn man seine eigene Vita beschreibt, dann fehlt dem Stapel lediglich das Sterbedatum.

Ich möchte meinen Werdegang in griffigen Abschnitten deutlich machen.

Kaum geboren (am 13. Juli 1938) und zu einer robusteren Verdauung fähig, wurde ich mit Spinatbrei konfrontiert, wobei die Eintrichterung in einen Zweikampf ausartete, der zwei Menschen grün färbte. Da sich ähnliches mit Karotten- und Kartoffelbrei wiederholte, kann man meine frühkindliche Phase in eine grüne, rote und gelblich-weiße Periode einteilen.

Die Ausbildung bis zum fertigen Diplom-Wirtschafts-Ingenieur fand in südhessischen Räumen statt, ob es nun die Volksschule im Odenwald und in Lampertheim war, das humanistische Gymnasium in Viernheim, ob es das Realgymnasium in Wiesbaden oder die Technische Hochschule in Darmstadt war. Insofern beherrschte ich der Reihe nach vier hessische Dialekte. Dass ich zwischendurch ein Jahr bei der Bundeswehr in Diez/Lahn war und ich deshalb um etwa einem Kilometer von Hessen entfernt rheinland-pfälzische Luft einatmete, änderte nichts an dem hessischen Tatbestand, weil wir meistens hessische Flure bearbeiteten. Kurz: Wer mich trifft, weiß sofort den Hessen vor sich. Nicht von der Statur. Ich sehe eher aus wie ein Franzose. Wenn ich den Mund aufmache und mein gepflegtes Hochdeutsch spreche, hört man den Hessen mit heraus. Trotz oder auch wegen der hessischen Vorprägung wagte ich es, nach dem Studium sämtliche Brücken hinter mir abzubrechen, um nach den USA auszuwandern, einerseits, um als Unternehmensberater möglichst viel von den damals begehrten Dollars zu verdienen, andererseits, um mir eine andere nicht-hessische Sprache anzueignen. Auf dem Weg dorthin lernte ich im Zugabteil eine junge Frau kennen. Aus dem oberflächlichen Gespräch entwickelte sich eine briefliche Korrespondenz, eine bedingungslose Einladung, eine Verlobung und nach weiteren zehn Monaten kam ich kurz herüber, um sie zu heiraten. Selbstverständlich in Hessen: in Offenbach, wo mein Vater als Pfarrer wirkte und das Verheiraten übernahm.

Jung vermählt waren 'die Staaten' für mich nicht mehr das, was sie einmal waren. Nach drei Jahren kündigte ich meinen Job dort und kam nach Deutschland zurück. Nach langem Auswählen aus den Stellenangeboten landete ich - wo? Na klar- in Südhessen. In Schwalbach. Dort verdoppelten wir die Familie für ein Skat zu Viert oder für ein gemischtes Doppel. Ehe wir uns dafür zusammentun konnten, entschied die jüngere Hälfte, auszuziehen und ihrerseits solche Teams zu gründen. Allerdings haben sie bisher weniger auf Kreuz-Buben reizen können, sondern haben mit ihren reizenden Buben ihr Kreuz. Seitdem wohnen wir zwei -es ist immer noch dieselbe Frau von damals- wieder allein in Schwalbach und solang wir nicht gestorben sind, leben wir immer noch da.