Christhard Richter

  ... Isch hab den Krieg nit gemacht

Leseprobe

 


Eine kleine Episode aus dem Krieg. Im Internet bei Google kann man etwas mehr lesen:

Der Bauer und der Pilot

Tiefflieger erlebte ich auch. Mehrmals. Die Geschichte, die höchstens für mich recht lustig war, ereignete sich direkt an unserem Haus: Meinen Apfelbaum neben der Hofmauer hatte ich bereits mehrfach erwähnt. Auf ihn konnte ich recht leicht hochklettern, entweder über den Maschendrahtzaun oder über das Hoftor auf die Mauer, dann rüber auf den Apfelbaum, fertig. Da saß ich dann nur zum Gucken. Ich beobachtete einfach gerne Leute, ohne selbst gesehen zu werden. Auf dem Feld Richtung Niederklingen - das Feld direkt hinter der Mauer gehörte der Kirche, dann kam ein Feldweg zum Berg hoch und gleich dahinter - war ein Bauer mit einem Schimmel zugange. Plötzlich kam ein Tiefflieger von hinten unsere Straße heruntergefegt, so tief, als käme er zwischen den Häusern durch. Schien es jedenfalls, ich hatte ja hinten keine Augen. Der flog erst einmal Richtung Niederklingen, als würde er überlegen: Ei da war doch was. Er drehte und kam zurück. Der Bauer indes rannte hinter den dicken Baum auf dem Nachbargrundstück zur Straße hin. Der Pilot ballerte in den Baum hinein, drehte und kam zurück. Der Bauer stand jetzt auf der anderen Seite des Baumstamms und der Pilot schoss wieder. Und ich saß in meinem Baum und guckte mir das an wie im Kino. Dieses Spiel wiederholte sich ein-, zweimal, bis es dem Piloten zu bunt wurde, er dem Schimmel in das Hinterteil schoss und nach Niederklingen weiterflog. Dort schoss er mit Leuchtspur eine Scheune in der Schützenstraße in Brand und verschwand. Der Schimmel war wie verrückt mit allem, was an ihm hing, abgehauen und hatte sich irgendwo verfangen. Der Bauer allerdings kam hinter dem Baum hervor und zitterte wie Espenlaub. Er schaffte es bis zu unserem Haus und wollte sich auf die Treppenstufe setzen. Das bekam er aber nicht hin, sondern rutschte bis zur untersten Stufe runter. Dann kam Ruth, hielt ihm seinen Kopf und streichelte ihn, weil er weinte.


ISBN-Nummer: 978-3-8391-5695-7